Teilnehmer berichten!

„Ab in die Mitte – werden rechte Themen bürgerfähig? Neue Bündnisstrategien, Aktionsformen, Politikfelder und Zielgruppen rechter Politik“

Die Veranstaltung wurde eingeleitet durch Begrüßung, Vorstellung des Hauses und Einführung in das Seminarprogramm. Der erste Programmtag wurde mit einer persönlichen Vorstellung der Teilnehmer und dem Einholen der Erwartungen an die Veranstaltung fortgesetzt.

Die 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer (TN) des Seminars, Bürgerinnen und Bürger aus den Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg mit dem beruflichen Hintergrund Polizeibeamtin und –Beamter verfügten nur zum Teil über dienstliche Erfahrungen mit dem Thema der Woche. Das allgemeine, persönliche Interesse an politischer Bildung stand also im Vordergrund. Der Tagungsleiter bat die TN nach der Begrüßung durch die IBZ-Leitung am frühen Vormittag des ersten Programmtages um eine Formulierung ihrer Erwartungen an das Seminar. Folgendes wurde zusammengestellt: Wie im Unterricht mit diesem Thema umgehen?, Tiefere Einblicke in die Entstehung der Pegida, Hintergründe Pegida,Wirtschaftliche Seite – wer finanziert Pegida, Allgemeine Informationen zu Pegida, Zukunft der Pegida? Wie stellen sich Pegida und AfD vor dem Hintergrund der Rechten in Europa dar? Warum scheint die Rechte in Europa allgemein Wahlerfolge zu erzielen, vergleichbare Gruppierungen in Deutschland jedoch nicht?

Vortrag Kraja am 23.03.2015 (Vormittag)
Der Referent ging zu Beginn seines Vortrages auf die Situation für die europäische Rechte ein, wie sie sich nach den Wahlen zum Europäischen Parlament darstellt. Die Bildung einer rechtsextremen Fraktion im EU-Parlament ist vorerst gescheitert. Damit ist die Macht der Rechten zunächst deutlich geschwächt – sie bekommen weniger Geld, weniger Mitarbeiter und vor allem weniger einflussreiche Posten in den Parlamentsausschüssen. Allerdings kann sich das bald auch wieder ändern: Sobald sich 25 Abgeordnete aus sieben Ländern zusammenfinden, können sie eine Fraktion bilden. Dieses Ergebnis steht nach Meinung des Referenten sinnbildlich für die Situation der Rechten in Europa insgesamt: Viele Gemeinsamkeiten, ähnliche Ideologien und Feindbilder, Wählerpotential – aber irgendwie klappt es nicht, zusammen zu kommen und eine gemeinsame Linie zu finden. Woran liegt das: Nach Kraja ist die Rechte in den europäischen Ländern von machtbewußten Persönlichkeiten geprägt, besonders der Le Pen-Clan in Frankreich und Wilders in den Niederlanden, die sich eher belauern als eine Zusammenarbeit suchen, die auch immer Aufgabe einiger Charakteristika des politischen Auftretens bedeuten würde. Zum Anderen, und das ist nach Ansicht des Referenten das entscheidende Element, klingen die Parolen zwar ähnlich, doch ist ihre Ableitung aus der jeweiligen Innenpolitik und Gesellschaftsstruktur der einzelnen Länder eine andere, die Gewichtungen sind unterschiedlich. Eine unverhohlene Hetze gegen den muslimischen Bevölkerungsanteil, wie sie Wilders in den NIederlanden praktiziert, kann sich Le Pen in Frankreich nicht (mehr) erlauben. Hingegen ist die Propaganda gegen den Euro und die EU, wie sie Le Pen betreibt, weil sie damit Franzosen zu gewinnen glaubt, die noch immer Träumen von der „Grande Nation“ träumen, für Wilders keine vorrangige Option, weil sich die Niederlande als vergleichsweise kleines und Handels-orientiertes Land eine vollständige Abkehr von Euro und EU nicht leisten können. Aber eines machen die Europawahlen deutlich: die Rechte gewinnt Wähler hinzu, wie es aussieht, aus der breiten „Mitte“ . Kraja machte den schillernden Begriff der politischen „Mitte“ zur thematischen Achse seines weiteren Seminabeitrags. Er bat die TN, eine Feststellung des eigenen Standortes hinsichtlich der politischen Einstellung zu treffen. Hierzu wurde eine Skala von 1 – 10 festgelegt. Die Ziffer 1 war der äußerste linke, die Zahl 10 der äußerste rechte Rand.
In der Diskussion über diese Skaleneinteilung und vor allem das Ergebnis der anonymisierten Einordnung wurde festgestellt, dass diese Festlegung problematisch ist und es zu einen Wechsel der Bewertung bei unterschiedlichen Themen kommen kann.
Der Dozent entwickelte daraus unterschiedliche Erklärungsgründe und stellte den Begriff „Normal“ zur Diskussion.
Anschließend wurde der Begriff Populismus (Populus = das Volk), der dem Volk was vermitteln will, erörtert.
Der Dozent stellte die These auf“ Populismus = Vereinfachung eines komplizierten Sachverhaltes. Die Pegida nutze dies nach dem Motto: „Wir lösen ein großes Problem vor dem Du Angst hast!“ Hat schon mal geklappt bei der Problemerklärung am Beispiel des Nationalsozialismus und der Judenvernichtung.
Es wurde versucht die etablierten Partien in die Skala von 1 – 10 (siehe oben) einzuordnen.
Anschließend machte der Dozent folgende Aussagen :
„Wir brauchen Feindbilder!“
„Die Rechte wird verbürgerlicht oder Verbürgerlichung der Rechten!“
„Grundlage der Demokratie ist, alle unterschiedlichen Standpunkte können untereinander diskutiert in Freiheit werden!“
Diese Aussagen wurden erläutert und diskutiert. Des Referenten Fazit: Ziel sei die Erkenntnis, dass wir uns auch mit Extremisten auseinandersetzen müssen!!!
Im weiteren wurde die die Bedeutung der Medien in einer Demokratie, Formen des Journalismus und ihre Auswirkungen vorgestellt. Insbesondere populärer Journalismus und Politainment sowie der Unterschied Informationsjournalismus (Ziel Orientierung)und Gebrauchsjournalismus (Ziel Instrumentalisierung).
Nach Anregung aus dem Teilnehmerkreis wurden Auftreten und rhetorische Figuren einiger bekannter deutscher Politiker diskutiert und Vergleiche zu Auftreten und Themen der Pegida-Versammlungen gezogen.

Vortrag Kraja am 23.03.2015 (Nachmittag)
Während rechte und linke Ideale sich wenigstens ungefähr festhalten lassen, ist die sogenannte „politische Mitte“ ein eher leerer Begriff. Er wird relativ variabel von all jenen eingesetzt, die sich von rechts und links abgrenzen wollen. Inhaltliche Überzeugungen sind nicht mit ihm verbunden, weshalb er eher eine fiktive Position bezeichnet, als dass er inhaltlich definiert ist. Kraja merkte jedoch an, daß der Begriff doch nicht so inhaltsleer ist; in der Geschichte des politischen Denkens in Deutschalnd spätestens seit der 1848er Revolution geht es bei der Politik der „Mitte“ um das einstige bürgerliche Lebensideal: um die Suche nach einem Gleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten von Staat und Markt. Gegensätzliche Elemente wie Eigennutz und Gemeinnutz, Freiheit und Gleichheit sollen im Sinne der alten Weisheit eines dritten, mittleren Weges unterlaufen werden. Gelänge dies, so sei auch das überkommene Rechts- Links-Schema zugunsten von "richtig" oder "falsch" endgültig überwunden. Gerade die leerformelhafte Berufung auf eine imaginäre Mitte verbürgt deren ideologisch- politische Funktion. Ist doch heutzutage fast ein jeder von einer gewissen "Rand-Angst" getrieben und deshalb geneigt, sich sozialhierarchisch in eine Mitte zu verorten, die Solidität und Normalität symbolisiert, ausgenommen einige Nonkonformisten, seien dies Künstler, Intellektuelle oder sonstige "Radikale". Kraja brachte die bereits zu Anfang benutzte Skale wieder in die Diskussion, in dem er in einer Diskussion mit den TN zu klären versuchte, wo die politische Mitte in Deutschland ist. Es wurde keine Einigkeit erzielt – aber es wurde übereinstimmend zur Kenntnis genommen, dass, folgt man den Selbstaussagen der maßgeblichen politischen Parteien, die Mitte den Großteil der Skala abdecken könnte. Pegida setzt auch hier an: wenn Alle in Mitte sind, wird nichts mehr greifbar und trennscharf – ein möglicher Hintergrund der oft beschworenen „Politikverdrossenheit“.

Es sei hier vorweggenommen, daß der Referent Volker Kraja für seine teils provokative, zuspitzende, aber auch humorvolle Vortragsweise in der Abschlußbesprechung viel Lob erfuhr und ein Teilnehmer ihn als „highlight“ der Weiterbildungstage im IBZ bezeichnete. Erhabe durch ihn viele Anregungen und Gedanken bekommen, die er nun weiterverfolgen werde. Der Dozent gab zum Ende des Vortrages Hinweise auf Bücher und Filme zum Thema!

Vortrag Sturm am 24.03.2015 (Vormittag)
Zu Beginn wurde das „mobile Beratungsteam gegen Rechts“, in dem der Referent arbeitet, mit Aufgaben und Zielen vorgestellt. Es kam die Frage auf, wie sich die Zusammenarbeit mit der Polizei gestalte und wie der Vertrauensschutz geregelt sei. Dies erläuterte der Dozent anhand von Beispielen.

In einem sehr dichten, straffen Powerpointvortrag gab der Referent Erläuterungen zu Pegida: Historischer Rückblick, Themen, Inhalte, Forderungen/Wer sind Anhänger von Pegida / Regionale Entwicklungen/ Pegida, HoGeSa, ENDGAME – neue rechte Netzwerke/Ausblick und Perspektiven. Dann wurde das Positionspapier der Pegida vom 10.12.14 vorgestellt. Hier entwickelte sich eine intensive und ausgedehnte Diskussion der TN untereinander und mit dem Referenten.

Es wurde festgestellt, dass das Papier sehr diffus, ohne klare und konkreten Aussagen sei. Grund sei das Ziel ein großes Spektrum anzusprechen! Der Dozent forderte die TN auf Stellung zu nehmen, wie die „Mitte“ auf diese Herausforderungen reagieren kann/soll/muss und wie die Politik damit umgehen kann/soll/muss.Auch hier entwickelte sich eine rege Diskussion über den Zweck und die Auswirkung des Positionspapiers.Der Dozent stellte klar fest, dass Pegida eine rechtspopulistische Bewegung sei!!!

Vortrag Sturm am 24.03.2015 (Nachmittag)
Der Referent sieht die NPD weiter – von einigen lokalen Schwerpunkten in de neuen Bundesländern abgesehen – in der politischen Bedeutungslosigkeit. Dynamik herrscht in der jugendlichen rechten Szene. Die nach dem Verbot neonazisistischer Kameradschaften besonders in Nordrhein-Westfalen gegründete Partei „Die Rechte“ ist eindeutig als Sammelbecken für die Neonazis aus den verbotenen Organisationen gegründet worden. Davon abgesehen sieht der Referent die Szene weiter bestimmt von dem, was auch den terroristsichen „NSU“ geprägt hat: führerloses, dezentrales Agieren ohne „Bekennerschreiben“. Es ist schwer zu sagen, ob dem rechten Milieu wieder terroristisch agierende Anhänger entwachsen werden. Herr Sturm sieht dies eher nicht. Aber weiterhin werden Aktionsformen ausprobiert werden, die für Jugendliche attraktiv sein sollen: die „Identitäteren“, autonome Nationalisten und gewaltbereiter Anti-Islamismus, sei es in Form der „Hogesa“ oder anders. „Pro NRW“ wird ein im Rhein-Ruhr-Raum weiter anzutreffendes Sammelbecken rechtsbürgerlichen Protests sein.

Zum Ende hin wurde, angeregt von Teilnehmerwünschen, die Frage gestellt, wie verhalte ich mich, wenn ich auf Probleme wie Islamisierung Deutschlands, Politikverdrossenheit, Flüchtlingsproblematik zukünftig angesprochen werde. Dies machte der Dozent an konkreten Beispielen fest und gab Hinweise dazu. Ein sehr interessanter Hinweis war, man solle bei Diskussionen immer bei einem Thema bleiben, keine Themenvermischung zulassen und ein angesprochenen Thema konsequent abarbeiten und auch ausdiskutieren!

Vortrag Steinert am 25.03.2015 (Vormittag)
Zu Beginn fragte der Dozent alle TN über Erfahrungen mit Hooligans, HoGeSa und Rechten ab.
Hier entwickelte sich eine lange und lebhafte Diskussion. Der Dozent brachte die Aussage:

„Taktik der Gruppierungen, viele Anmeldungen zu Veranstaltungen und Diskussionen, um Polizeikräfte zu binden und „ausbluten“ zu lassen!“

Die „Hooligans gegen Salafisten“ geben sich in ihrer Außendarstellung bürgerlich und suchen den Zusammenschluss mit der Mitte. Nach Angaben von Experten aus Politik und Polizei handelt es sich bei den Hooligans gegen Salafisten um einen bundesweiten Zusammenschluss aus der bislang vor allem verfeindeten Hooligan-Szene, darunter ein Großteil gewaltbereiter Personen. Die Gruppierung sei aber auch ein Sammelbecken weiterer radikaler Kräfte. Sie sei nicht auf die Hooligan-Szene beschränkt, vielmehr versuchten auch rechtsextreme Parteien (ProNRW, NPD, Die Rechte), doch versuchen die Hooligans, den Ton anzugeben

„Vermengung Rechts, Hooligans, Käfigkämpfer und Musiker in der letzten Zeit aus polizeilicher Sicht zu beobachten!!!“

Es sei „Eine Symbiose vieler eigentlich unterschiedlicher Szenen zu erkennen!“
Anschließend wurden Informationen über die rechte Szene in Dortmund dargestellt. Es wurden Beispiele für die Vermengung der Szene im Bereich NRW / DO erläutert.
Dies wurde an Strafverfahren und Personen fest gemacht und erklärt. Aussagen für die zukünftige Entwicklung zu treffen, sei schwierig. PeGiDa gebe der Bewegung weiterhin Auftrieb, weil alles, was Öffentlichkeitswirksmakeit erzielt in diesem Bereich, auch von HoGeSa genutzt werden kann. Aber natürlich giebe es Rivalitäten zwischen den Gruppierungen der Szene.
Alle TN fanden es sehr gut, dass von einem erfahrenem Kriminalbeamten aus praktischer Sicht referiert wurde und Beispiele aus dem kriminalpolizeilichen Alltag berichtet wurde!

Vortrag Wilkes am 25.03.2015 (Nachmittag)
Der Vortrag wurde mit einer Animation begonnen, der Beispiele rechter und rassistischer Gewalt zeigte und die Maßnahmen die die Opferberatung „backup“ leistet.
Danach stellte der Dozent das Projekt „backup“ mit nachfolgenden Schwerpunkten vor:
Historische Entwicklung/Konzeptioneller Ansatz/Arbeit der Beratungsstelle/Aktueller Arbeitsstand/Ausblick und Pläne.
Anschließend wurde an Fallbeispielen verdeutlicht wie eine Aufarbeitung, Betreuung und Begleitung in einem Sachverhalt praktisch aussieht. Hier wurden die TN in Form von Fragen und Antworten zu den Sachverhalten eingebunden - zum Beispiel Wegzug einer unter den Quälereien und Verleumdungen Rechter leidenden Familie von Ihrem Wohnort: ja oder nein? - und unterschiedliche Meinungen wurden diskutiert. Zum Abschluss des Nachtmittages stellte der Dozent die Frage: Was ist das Ergebnis dieser drei Tage?“
Es antwortete die Masse der TN und auch hier kam es zu einer Diskussion. Am Ende stand die Erkenntnis, dass alle was mitnehmen konnten und die Vorträge sehr informativ waren. Aber die wichtigste Erkenntnis war diese:
Alle TN waren sich einig, dass man seine eigene Einstellung immer hinterfragen solle und andere ermuntern soll dies auch zu tun!!!

Bemerkenswertes aus der Diskussion
Die Pegida ist ein Unruheherd, mehr nicht, und es wird auch nicht mehr werden. Es werden Ressentiments und Vor-Urteile herausgeschrieen, doch es bleibt diffus und wird nicht in langfristig orientierte politische Handlung gegossen.
Über die Ergebnislosigkeit des Protests wird sich Frustration bilden, die möglicherweise in Gewalt mündet.
Hierzu die Gegenmeinung: das gewalttätige Umfeld von Pegida wird viele bürgerliche Pegida-Anhänger abschrecken.
HoGeSa, rechte Fußballfans, Hooligans werden auch mit und ohne Pegida, NPD, PRoNRW etc. ihre Gewalttätigkeit prägen, Politik ist für sie zweitrangig.

Gimborn, den 25.03.2015 / H. Schwarzmann